Frauen und Steuern

Frauen zahlen gemessen an ihrem Einkommen mehr Steuern als Männer, warum das so ist, habe ich in diesem Text erklärt:

Geschlechtsspezifische Berufswahl, die Lohnunterschiede zwischen sogenannten Frauen- und Männerberufen im Arbeitsmarkt und die Verteilung der Geschlechter auf Vollzeit- und Teilzeitstellen führen zu einer eklatanten Einkommenslücke zwischen Frauen und Männer. Aber damit nicht genug, für verpartnerte oder verheiratete Frauen mit geringerem Einkommen als dem zweiten Teil einer Steuergemeinschaft werden die Steuertarife zu verstärkten Einkommensfalle für Frauen. Von dem wenigen das sie verdienen wird unterjährig auch noch mehr an Steuern einbehalten. Verheiratete oder verpartnerte Frauen mit dem geringen Einkommen innerhalb der Paarbeziehung werden auch noch höher besteuert als Menschen mit dem gleichen Einkommen, die alleine Leben. In der Summe verfügen Frauen nur über ein Drittel des Einkommens von

Männern in Deutschland.

Die kürzlich vom DIW (Stefan Bach: Frauen bekommen nur ein Drittel aller Einkommen) veröffentlichte Einkommensteuerstatistik auf Arbeitseinkommen aus dem Jahre 2010 weißt nach, dass Frauen deutlich weniger zu versteuerndes Einkommen erwerben, aber durch Steuern höher belastet werden. Der Teufel liegt im Detail. Arbeitseinkommen, die jährlich unter einem Betrag von 25 000 Euro liegen, werden deutlich häufiger von Frauen erzielt als von Männer. Arbeitseinkommen, die über 40 000 Euro Jahreseinkommen liegen werden hingegen überwiegend von Männern erworben. In den Berechnungen des DIW werden geringfügig Beschäftigte, da nicht steuerpflichtig, nicht erfasst.

Stand 31.12.2015 waren 7,58 Mio Menschen geringfügig beschäftigt, darunter 4,59 Mio Frauen, das sind 60 % aller geringfühgig Beschäftigten (Quelle: Statista). Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 8 I SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt oder die Beschäftigung auf zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt ist.

Neben den Gehaltsunterschieden wie sie im ungereinigten und bereinigtem Gender Pay Gap zum Ausdruck kommen, entscheiden auch die Art und Weise der Besteuerung über das unterjährig zur Verfügung stehende Einkommen von Frauen und Männern. Bemessungsgrundlage ist das zu versteuernde Einkommen. Im Jahr 2014 nahm der deutsche Staat über 213 Milliarden Euro Lohn- und Einkommensteuer ein. Das entspricht knapp einem Drittel der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands (Quelle: Bundesfinanzministerium).

Wer wie viel Steuern entrichten muss legt der Einkommenssteuertarif als Berechnungsvorschrift zur Lohn- und Einkommensteuer fest. Er gibt an, wie viel Steuern auf ein gegebenes zu versteuerndes Einkommen zu zahlen sind. Dies ist u.a. in § 32a EStG für Deutschland festgelegt.

Für das unterjährige zur Verfügung stehende Einkommen ist die Eingruppierung in Tarifzonen wichtig. Diese regeln, wieviele steuerliche Abzüge direkt bei der Lohnabrechnung einbehalten werden. Eine deutsche Besonderheit stellt hierbei das 1958 eingeführte Ehegattensplitting dar. 2013 wurde dieses Verfahren auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Damit können und werden in der Regel Ehepaare bzw. eingetragene Lebenspartner*innen zusammen veranlagt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 32a Abs. 5 EStG. Das gemeinsam erzielte zu versteuernde Einkommen der Partner*innen/Ehegatt*innen wird dabei ermittelt und halbiert (gesplittet). Das halbierte zu versteuernde Einkommen wird nun nach geltendem Einkommenssteuertarif versteuert.

Bei unterschiedlich hohem Einkommen der Partner*innen entsteht ein sogenannter Splittingvorteil. Dieser kann über 10 000 Euro Steuerersparnis im Jahr bewirken (Partner*in A hat 300 000 Euro Jahreseinkommen und Partner*in B kein zu versteuerndes Einkommen). In Deutschland gilt seit dem Jahre 2017 ein Grundfreibetrag, der nicht versteuert wird in Höhe von 8820 Euro pro Person. Der Eingangssteuersatz ist seit 2009 mit 14 % festgesetzt, ab 256 304 Euro Jahreseinkommen ist der Spitzensteuersatz anzuwenden. Der Spitzensteuersatz beläuft sich einschließlich Solidaritätszuschlag auf 47,48 %. Der Verlauf der Besteuerung zwischen diesen beiden Werten ist linearprogressiv und wird in Tarifzonen eingeteilt.

TarifzoneGrenzen*GrenzsteuersatzDurchschnitts-
steuersatz
Zone
1unter 8820 EuroNullzone
28820 Euro bis 12 000 Euro14,9%0,84 %Progessionszone 1
312 000 Euro bis 24 000 Euro21,1%5,3 %Progressionszone 2
424 000 Euro bis 48 000 Euro28,8 %15,6 %Proportionalzone 1
548 000 Euro bis 120 000 Euro39,8 %24,9 %Proportionalzone 2
6120 000 Euro bis 250 000 Euro42 %35,1 %
7ab 250 000 Euro45 %Reichensteuer
Tarifzonen der Besteuerung und ihre Auswirkungen, * Wert sind pro Person dargestellt.

Die Einteilung in Lohnsteuerklassen dient innerhalb der Lohnbuchhaltung zur Errechnung des Steueranteils gemessen am Bruttolohn. Es handelt sich um eine Annäherung an die zu erwartende Steuerschuld aus einem Arbeitseinkommen, Berücksichtigung finden die vordefinierten Freibeträge. Damit definieren die Lohnsteuerklassen neben den Sozialabgaben die monatlichen Abzüge vom Arbeitseinkommen. Sie haben keinen

Einfluss auf die tatsächlich festzusetzende Steuerschuld.

LohnsteuerklasseBerechtigteMerkmaleGesamtzahl
I# Ledige
# Verheirate/
Verpartnerte, bei
denen die zweite
Person beschränkt*
steuerpflichtig ist
# Verheiratete/
Verpartnerte, die
dauerhaft getrennt
leben, verwitwete, geschieden
ohne Kinder
Grundfreibetrag12348,2
IIAlleinerziehende, bei
denen die
Voraussetzung der
Steuerklasse vorliegen
und die Anspruch auf
Entlastungsbeitrag** für
Alleinerziehende haben.
Sowie für Verwitwete mit
mindestens einem Kind
bis zu einem Jahr nach
dem Tod des anderen Steuerpflichtigen
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
Alleinerziehenden
Freibetrag
1686,9
IIIVerheiratete/
Verpartnerte, die
überwiegend
gemeinsam leben und
nicht die Steuerklasse IV gewählt haben
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
10655,0
IVVerheiratete/
Verpartnerte, die beide
unbeschränkt
einkommenssteuerpflich
tig sind und
überwiegend
gemeinsam leben. Diese
Steuerklasse muss
selbstständig gewählt
werden. Sonst wird in
Steuerklasse III und iV eingeteilt
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
4643,0
IV mit FaktorVerheiratete/
Verpartnerte, die nicht
getrennt leben und in
etwa gleich verdienen,
jedoch ein
Splittingverfahren zur Anwendung kommt
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
VVerheiratete/
Verpartnerte, die nicht
getrennt leben, bei
denen beide sehr
unterschiedliche
Arbeitseinkommen
haben, diese
Steuerklasse erhält, der
oder die, der weniger verdient
Kein Grundfreibetrag
und kein Kinderfreibetrag,
lohnt sich für die
Person, die in Steuerklasse
III ist, da dort alle
Abzugsmöglichkeiten
jeden Monat direkt
berücksichtig werden
3366,8
VIWird bei weiteren
Arbeitsverhältnissen abgewendet
Kein Grundfreibetrag
und kein
Kinderfreibetrag

* Beschränkt steuerpflichtig ist, wer in Deutschland Einkünfte erzielt, aber weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (§ 49 EStG). Doppelbesteuerungsabkommen sind zu beachten.

** Alleinerziehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag von 1.908 Euro im Kalenderjahr von der Summe ihrer Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Für jedes weitere Kind gibt es zusätzliche 240 Euro.

Quelle: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.41633.de/diw_rn04-04-38.pdf, da es 2003 noch kein Faktorverfahren gab, liegen hierfür keine Zahlen vor.

Die vom Gesetzgeber angebotene Steuerklassenkombination III und V soll den Eheleuten bzw. Partner*innen schon während des Arbeitsjahres zu einem höheren verfügbaren Einkommen verhelfen. Sieht man beide Partner*innen zusammen, so zahlen sie bei dieser Kombination tatsächlich weniger Steuern, gemeinsam profitieren sie vom Splittingvorteil.

Unterjährig profitiert aber nur die Partner*in, die über das höhere Einkommen verfügt, sie erhält den Splittingvorteil über den verringerten Vorsteuerabzug sofort. Die Partner*in, die über das niedrige Einkommen verfügt erhält keine Anrechnung des Grundfreibetrags und keine Anrechnung des Kinderfreibetrags. Diese Person muss unverhältnismäßig viel Steuern direkt abführen und zwar ohne dass sie gefragt wird. Wer keine Lohnsteuerklasse eintragen läßt, verheiratet oder verpartnert ist und über das niedrigere zu versteuernde Einkommen verfügt, wird automatisch vom Finanzamt in die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Seit dem Jahre 2010 gibt es das Faktorverfahren, bei dem das Paar beim Finanzamt sein zu erwartendes Arbeitseinkommen zu Beginn des Jahres angeben muss und damit die Möglichkeit erhält die Steuerlast von Anfang an entsprechend ihres Aufkommens zu verteilen, gedacht ist dieses Verfahren vor allem für Paare die ein in etwa gleich hohes Arbeitseinkommen erwirtschaften.

Je nach Wahl der Steuerklassen bzw. dem Faktorverfahren ergeben sich unterschiedliche unterjährige Verteilungen der Steuerlast auf die Partner*innen. IV mit Faktor Verheiratete/ Verpartnerte, die nicht getrennt leben und in etwa gleich verdienen, jedoch ein Splittingverfahren zur Anwendung kommt. Grundfreibetrag Kinderfreibetrag V Verheiratete/ Verpartnerte, die nicht getrennt leben, bei denen beide sehr unterschiedliche Arbeitseinkommen haben, diese Steuerklasse erhält, der oder die, der weniger verdient, bekommt keinen ein Grundfreibetrag und kein Kinderfreibetrag. Für Sie lohnt sich in Steuerklasse III , da dort alle Abzugsmöglichkeiten jeden Monat direkt berücksichtig werden

Verdient eine Partner*in 20.000 € und die andere 40.000 €, beträgt die vom Lohn abgezogene Steuer ohne Anwendung des Faktorverfahrens 1.747 € + 6.930 € = 8.677 €, wovon 303 € später aufgrund der Einkommensteuererklärung erstattet werden. Bei Anwendung des Faktorverfahrens entrichten die Ehegatten/Lebenspartner während des Jahres Steuern in gleicher Höhe.

Verdienen beide 30 000 €, so zahlen sie bei Anwendung der Steuerklasse III und V 1.594 € + 7.394 € = 8.988 € Lohnsteuer. 614 € werden später aufgrund der Einkommenssteuererklärung erstattet, mit dem Faktorverfahren bezahlen beide gleich viel Steuern.

Die gewollte Steuerung der staatlichen Einnahmenpolitik beinhaltet, dass diejenigen Partnerin in einer gebundenen Lebensgemeinschaft, die über das geringere Erwerbseinkommen verfügt, davon unterjährig die verhältnismäßig höhere Steuerlast trägt.

Soweit die Fakten an die sich viele Fragen anschließen. Wie wird die Steuerlast nach der erfolgten tatsächlichen Besteuerung innerhalb der Paare verteilt, bekommt diejenige, die zuvor die verhältnismäßig größere Last getragen hat in einer Binnenverrechnung Steuernzurück erstattet? Warum „bestraft“ der Fiskus über die Steuerlast von den Menschen innerhalb einer Steuergemeinschaft diejenigen, die weniger verdienen? Welche Rolle spielt dieses unterjährig höhere Steuerlast bei der Entscheidung steuerpflichtig arbeiten zu gehen, das Arbeitsvolumen auszudehnen oder eine Gehaltserhöhung zu erstreiten? Ist es Zufall, dass gerade in Deutschland im OECD Ländervergleich von den in Partnerschaft lebende Frauen so wenige arbeiten im Vergleich zu anderen Industrieländern?