Unbezahlte Arbeit in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

Das Volumen der unbezahlten Arbeit ist größer als das Volumen der bezahlten Arbeit in Deutschland und Frauen leisten sie überproportional. Wenn wir die unbezahlte Arbeit als Baustein unseres gesellschaftlichen Wohlstandes betrachten, sollte sie auch in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dargestellt werden, dass würde dann wie folgt aussehen:

„if women counted“: die unbezahlte und die bezahlte Ökonomie / Beispiel Deutschland 

In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) kann auch das Arbeitsvolumen in den Wirtschaftsfaktoren abgebildet werden. Gemeinhin wird dies geschlechtsunspezifisch ausgewiesen. Damit wird verschleiert wer innerhalb einer Gesellschaft wie viel arbeitet. Wird die unbezahlte Arbeit wie hier parallel dargestellt wird deutlich, die unbezahlte Care-Ökonomie ist vom Arbeitsvolumen her nur ein wenig kleiner als die gesamte bezahlte Ökonomie (inkl. des öffentlichen Sektors). In der unbezahlten Ökonomie verausgaben auch Männer einen signifikanten Anteil ihrer gesamten Arbeitsstunden – dennoch ist die unbezahlte Ökonomie weiterhin ein von Frauen dominierter Sektor der Gesamtökonomie. „if women counted“: die unbezahlte Ökonomie sichtbar machen –  Frauenarbeit sichtbar machen – die gesamte Ökonomie abbilden

Zeitbudgetstudien werden in Deutschland alle zehn Jahre erstellt. Ihr Ziel ist es, eine repräsentative Abbildung davon zu geben, wie die in Deutschland lebenden Menschen ihre Zeit verwenden. Haushaltstätigkeiten, Kinderbetreuung, und andere unbezahlte Care-Arbeiten werden hier ebenso abgefragt, wie Freiwilligenarbeit, Gartenarbeit, Körperpflege, Lohnarbeit, u.v.m. Auf Basis dieser Zeitbudgetanalysen lässt sich nach Geschlecht aufgeschlüsselt kalkulieren, wie gross auf gesamtwirtschaftlichem Niveau das Arbeitsvolumen verschiedener Tätigkeiten ist – z.B. wie in diesem Faktenblatt von der unbezahlten Care- und Hausarbeit (hier „lediglich“ Kinderbetreuung, Altenpflege und Hausarbeit). 

Demgegenüber stellen wir auf Basis der Daten aus dem Mikrozensus die Arbeitsvolumen nach Geschlecht aufgeschlüsselt dar bezogen auf ausgewählte Wirtschaftszweige der bezahlten Ökonomie (inklusive des öffentlichen Sektors). 

So entsteht ein nach Geschlecht differenziertes Bild von den Arbeitsvolumina in der gesamten Ökonomie – der bezahlten wie auch der unbezahlten.

 

Aus diesen Daten ergeben sich unter anderem folgende Resultate: 

  1. Die unbezahlte Care-Ökonomie ist vom Arbeitsvolumen her ein riesiger Sektor der Gesamtökonomie! Die unbezahlte Hausarbeit ist vom Arbeitsvolumen her der mit Abstand größte Sektor der Gesamtökonomie (der einzige 6-stellige Sektor in Millionen!).
  2. Männer investieren ihre Arbeitskraft weiterhin schwerpunktmäßig in die bezahlte Ökonomie. Allerdings investieren sie auch einen signifikanten Anteil ihrer Arbeitskraft in die unbezahlte Ökonomie. Hier verausgaben sie 80% von den Arbeitsstunden die Frauen verausgaben. Geschlechterannäherungen in der unbezahlten Ökonomie sind also statistisch sichtbar, allerdings: Frauen machen in der unbezahlten Ökonomie v.a. in der Hausarbeit mehr, als die Männer. Kinderbetreuung und Pflege weisen nur noch leichte Ungleichheiten in der Geschlechterverteilung auf. 
  3. Die überwiegende Anteil der Care-Arbeit findet in Deutschland weiterhin in der unbezahlten Ökonomie statt. Diese Ökonomie ist vom Arbeitsvolumen her also der relevante Sektor in der Care-Ökonomie. Die „Kommodifzierungs-These“ (im Hinblick auf Care-Arbeit) ist mit einem Blick auf die Arbeitsvolumen für Deutschland nur eingeschränkt haltbar. Der Sektor „kommodifizierte Care-Öknomie“ (Gastgewerbe, persönliche u. haushaltsnahe Dienstleistungen) ist insgesamt vom Arbeitsvolumen her vergleichsweise unbedeutend, der Sektor der „öffentlichen Care-Ökonomie“ (öffentliche Erziehung, Gesundheit, Soziales) macht vom Arbeitsvolumen her rund die Hälfte des Arbeitsvolumens der unbezahlten Care-Ökonomie aus.
  4. Weiterhin Arbeiten mehr Männer in der bezahlten Ökonomie und mehr Frauen in der unbezahlten Ökonomie. In der Grafik zum Arbeitsvolumen, die Sie hier vorliegen haben, scheint es so, als würden im Gesamten (bezahlt und unbezahlt) Frauen etwas weniger arbeiten als Männer ( 183894,5 vs. 223026,9 Millionen Stunden); Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Daten zur bezahlten Arbeit vom Mikrozensus kleinere und geringfügige Tätigkeiten eher unter den Tisch fallen (siehe Vorgehensweise Arbeitsvolumen), die tendenziell eher von Frauen ausgeführt werden. Das Volumen von der Arbeit (bezahlt und unbezahlt) von Frauen und Männer ist im Gesamten nahezu gleich, folgt man den Anhaben der Zeitbudgetstudien (diese Studien kommen zu dem  Schluss, dass Frauen im Schnitt eine Stunde mehr die Woche bezahlt und unbezahlt arbeiten als Männer).
  5. Wenn das produzierende Gewerbe inklusive der wirtschaftsnahen Dienstleistungen mit dem Dienstleistungssektor verglichen wird, fällt auf, dass der industrielle Sektor in Deutschland immer noch vergleichsweise bedeutsam ist – trotz der sog. „Dienstleistungsgesellschaft“ – und daneben  der Sektor der unbezahlten Arbeit weiterhin sehr groß ist. 

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Quellen und Bemerkungen zu den Berechnungen

Grundsätzliche statistische Bemerkungen:

Es ist nicht einfach, eine solche Darstellung, wie wir sie gemacht haben, in Deutschland zu erstellen, v.a. weil geschlechtsspezifisch differenzierte Daten in den statistischen Erhebungen Mangelware sind – und der Dienstleistungssektor ein statistisch nur sehr grob erfasster Sektor ist. Die Zusammenführung der Daten des Arbeitsvolumen von Männer und Frauen in der bezahlten und unbezahlten Arbeit nach Sektoren und Wirtschaftszweigen gestaltet sich auf Grund der zur Verfügung stehenden Daten als Herausforderung. Deshalb seien hier noch etwas ausführlichere Bemerkungen zu unserer Vorgehensweise gemacht. 

Erstes statistisches Problem ist die Erstellung eines Datensatzes aus mehreren unterschiedlichen statistischen Quellen. Das Volumen der unbezahlten Arbeit wird in der Bundesrepublik Deutschland alle zehn Jahre erhoben, zuletzt im Jahre 2012/2013. Die Daten wurden im Jahre 2015 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt standen für das Volumen der bezahlten Arbeit aufgeschlüsselt nach Wirtschaftszweigen nicht mehr alle Daten zur Verfügung. Deshalb beziehen sich einige Teile dieses Tabellenabschnitts auf das Jahr 2015. Auch das Volumen der bezahlten Arbeit insgesamt wird in der Detailfreude wie sie für unsere Analysen notwendig ist nicht in einer Statistik veröffentlicht. Deshalb haben wir notwendiger weise unterschiedliche statistische Quellen zusammengeführt.

Zu wünschen wäre eine solche veröffentlichte Darstellung auf der Grundlage von Arbeitsmarktdaten durch die Agentur für Arbeit in Kooperation mit dem Bundesamt für Statistik. Die Daten liegen vor, werden aber nicht veröffentlicht.

Vorgehen:

Das Volumen der unbezahlten Arbeit ist der Zeitbudgetanalyse 2012/2013 des Statistischen Bundesamtes entnommen. Die Zeitbudgeterhebung weist Arbeitsstunden in einer Woche in Tausend für Männer und Frauen ab dem Alter von 10 Jahren aus. Diese haben wir auf ein Jahr hochgerechnet.

Die Statistische Aufarbeitung des Bundesamtes weist einzelne und summierte Tätigkeiten getrennt nach Männer und Frauen ab dem Alter von 10 Jahren pro Tag als Mittelwert über eine Woche aus. Wir haben für unseren Zusammenhang die Bereiche Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Pflege und  unbezahlte Arbeit nach Frauen und Männern getrennt ab 10 Jahren, pro Tag, aufgeschlüsselt in Hauthalsführung gesamt, Kinderbetreuung und Pflege im Haushalt. Diese Zeiten wurden auf Dezimalsystem umgerechnet und aufs Jahr (52 Wochen) hochgerechnet. Zur Erfassung des Arbeitsvolumens wurde der Anteil an der Bevölkerung über 10 Jahren getrennt nach Geschlecht multipliziert.

Das Volumen der bezahlten Arbeit wurde dem Mikrozensus als amtliche Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland, entnommen. Die Arbeitskräftestichprobe der Europäischen Union (EU-Arbeitskräftestichprobe) ist in den Mikrozensus integriert. Die Daten aller Menschen, die einer Arbeit nachgehen sind erfasst, deshalb sind Minijober*innen, mithelfende Familienangehörige, Selbstständige und sozialversicherte Beschäftigte inkludiert. Auch diese Erhebung weist die Wochenarbeitsstunden aus, die wir aufs Jahr hochgerechnet haben. Grundlage sind hierbei 52 Wochen.

Die Erhebungen des Mikrozensus sind nicht sehr genau (weiteres hierzu siehe: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/Methoden/Mikrozensus.htm, 13.05.201) und weisen Abweichungen zu anderen, vergleichbaren Erhebungen auf. Für unsere Zwecke sind sie jedoch genau genug und es handelt sich in Deutschland um die einzige Statistik, in der Arbeitsvolumina nach Männern und Frauen getrennt ausgewiesen werden.

Um die Darstellung des Volumens der bezahlten Arbeiten möglichst detailliert im Bereich der Dienstleistung und der öffentlichen bezahlten Arbeit darstellen zu können, wurden in Einzelfällen Summen aus Statistiken der Agentur für Arbeit hinzugezogen, die aus dem Jahr 2015 stammen. Zahlen aus dem Jahre 2012 waren in dieser Detailtreue nicht zugänglich.

Die Gesamtdarstellung kann unter statistischen Gesichtspunkten im besten Fall Größenordnungen darstellen. Die im Zuge der Anstrengungen, die bei Ihrer Erstellung unternommen werden mussten, bitte wir zu würdigen.

In Deutschland ist dies der erste Versuch einer solchen Darstellung.

Im Vergleich zur Darstellung der Schweizer Arbeitsvolumina ist trotzdem festzustellen, dass dieselbe Aufschlüsselung nicht möglich ist. Unter anderem lassen sich die öffentliche und private Dienstleistungen in Bildung/ Gesundheit/ Soziales anhand der Datenlage in Deutschland nicht gesondert aufführen._______________________________________________________

Januar 2018 Dr. Christine Rudolf und Dr. Silke Chorus