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Corona und die Geschlechtergerechtigkeit

Was läuft für Frauen anders als für Männer in der Krise? Wie wirken sich die schon bestehenden Asymmetrien zwischen den Geschlechtern in einer solchen Situation aus? Lesen sie mehr im aktuellen efas-Newsletter:

Corona verstärkt strukturelle Ungleichbehandlung

Am 27. Januar 2020 meldete das bayrische Gesundheitsministerium den ersten Corona-Fall Deutschlands. Die Fallzahlen stiegen rasant, das Virus wurde als extrem gefährlich eingestuft und am 13. März 2020 folgt der sogenannte Corona-Lockdown. Schulen, Kitas, Geschäfte, Restaurants, Kinos, Theater und vieles mehr wurden geschlossen. Am 20. März wurden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen erlassen. 

Begleitend zu Maßnahmen im Gesundheitswesen sowie der Verpflichtung Masken zu tragen und Abstand von Mitmenschen zu halten, wurden relativ schnell sogenannte Corona-Hilfen verabschiedet. Sie sollen helfen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern und Menschen mit Kindern bei der Betreuung unterstützen.

Neben einer Ausweitung des Kurzarbeiter_innengeldes (Kug), stehen für gesetzliche Versicherte Eltern fünf weiter Krankheitstage zur Betreuung von Kindern zur Verfügung, für Alleinerziehende zehn Tage. Wer coronabedingt Angehörige pflegt, soll bis zu 20 Tagen frei bekommen. Es gibt staatliche Hilfen für belastete Unternehmen. Für Künster_innen, Kleinselbstständige und Kleinunternehmer_innen greift die Grundsicherung. Eltern, die während des Lockdowns ihre Kinder unter 12 Jahren zu Hause betreut haben, erhielten eine Entschädigung für Lohnausfälle bis zu 20 Wochen, das gleiche gilt für Alleinerziehende, dabei wurden 67 % des Verdienstausfalls erstattet.

Bei der Diskussion, wem wie geholfen werden muss und soll. wurde interessanterweise sehr häufig diskutiert, dass dies die Gelegenheit wäre, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Diese Überlegungen blieben in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit aus, es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass sich die materielle Situation von Frauen verschlechtere und die Belastung zunehme. In nur wenigen Fällen konnte dies direkt belegt werden, weil die Daten dafür fehlten. Wir messen die Feinstaubbelastung an jeder Straßenecke, aber den Mental Flow, den ein Haushalt unter Corona-Bedingungen mit Kindenr zusätzlich leisten muss, wird so wenig gemessen, wie die Belastungen, denen Frauen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch im Normalfall zugemutet werden.

Es ist daher wichtig, zunächst die Ausgangssituation von Frauen in der Geschlechterparität zu beleuchten, um die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen einordnen zu können.

Der durchschnittliche Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern mit 21% ist hinlänglich bekannt und über Jahre stabil. Der geringere Beschäftigungsgrad von Frauen mit einer Erwerbsquote von 76,6% gegenüber Männern, die zu 84,6% Erwerbstätig sind und die häufige Beschäftigung von Frauen in Teilzeit und anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen, vor allem in den alten Bundesländern, führt zu einem Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern im Laufe eines Jahres von 433 Mrd. Euro. Frauen arbeiten genauso viel wie Männer, sogar eine Stunde mehr in der Woche. Aber sie verrichten diese Arbeit zu 2/3 unbezahlt, bei Männern ist es umgekehrt.

Dies führt zu einem erheblichen Unterschied im Alterseinkommen, in Ostdeutschland beträgt der Unterschied zwischen Frauen und Männern 23% , in Westdeutschland 42%.

Es gäbe also genügend Gründe, bei Maßnahmen zur wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung in Deutschland darüber zu diskutieren, wie die Maßnahmen gestaltet werden können, damit sie der Geschlechterungleichheit entgegenwirken.

Allerdings existieren auf Bundesebene hierfür keinerlei Instrumente. Die Analyse und Steuerung von öffentlichen Finanzen unter dem Aspekt der Geschlechtersensibilität ist im Bund ein schwarzer Fleck.

Eine weltweit durchgeführte Online-Umfrage der Charité zeigt, dass Frauen und ältere Menschen besonders von der Pandemie belastet sind. Für Deutschland liegen auf der Basis von 8 000 Befragten für die Zeit von Mai bis September erste Ergebnisse vor. Die Studie weist nach, dass neben weiteren Ergebnissen Frauen einen höheren Anstieg beim Stressniveau erleben. Der Studienleiter begründet dies damit, dass Frauen häufig mehrere Rollen gleichzeitig zu erfüllen hätten. 

Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) veröffentlichte bereits am 15. April 2020 eine erste Studie zur „Erwerbsarbeit in Zeiten von Corona“  In der Zeit vom 23. März bis 5. April wurden ebenfalls 8 000 Personen zu den Veränderungen ihrer Erwerbsarbeit durch den Lockdown befragt. Die Auswertung der Befragung zeigte, dass Frauen seltener als Männer im größeren Umfang im Vergleich zu vorher ihrer Erwerbsarbeit nachgehen. Sie gehen außerdem häufiger als Männer keiner Erwerbsarbeit mehr nach. Vor allem Eltern arbeiten weniger Stunden als vor der Pandemie. Auch ein Zusammenhang zwischen Haushaltseinkommen und Arbeitszeitanpassung konnte ermittelt werden. Für Haushalte, deren Einkommen vor der Pandemie gerade so oder nur schlecht zum Lebensunterhalt genügten, steigt die Wahrscheinlichkeit vom Ausschluss von Erwerbsarbeit. Daraus ergibt sich die Frage, wie sie während des Lockdowns mit ihrem Einkommen finanziell zurechtkommen, diese Frage bereitet Frauen und Eltern große Sorge. 

Dieses Bild bestätigt auch eine von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene Studie  mit dem Titel „Rückschritt durch Corona“ vom August 2020. In dieser Online-Befragung gaben 27% der Frauen an, ihre Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung reduziert zu haben, aber nur 16% der Männer. Je geringer das Haushaltseinkommen desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen die Sorge- und Betreuungsarbeit übernehmen. Finanzielle Überlegungen spielten dabei eine wesentliche Rolle.

Auch die Finanzen selbst tragen zusätzlich zu einer ungleichen Verteilung der Belastung durch Corona bei. Zurzeit beläuft sich das Kurzarbeitsgeld (Kug) zunächst auf 77% und ab dem vierten Monat auf 87%des ausgefallenen Nettolohns.  Auch die Erstattungsleistung für die Erwerbsarbeit in Folge von Kinderbetreuung bemisst sich am Nettolohn. Die Höhe des Nettolohns wird unter anderem durch die Steuerklasse determiniert. Frauen, vor allem in westlichen Bundesländern, die verheiratet oder verpartnert sind, sind häufig in Steuerklasse V eingruppiert. In Steuerklasse V gibt es keine Vorweganrechnung von Steuerfreibeträgen wie Grund- und Kinderfreibetrag. Deshalb erhalten Personen in Steuerklasse V auch weniger Erstattungsleistungen. Dies gilt auch für alle anderen Lohnersatzleistungen, also das Eltern-, Kranken- oder Arbeitslosengeld.

Welchen Umfang diese finanzielle Schlechterstellung durch die Corona-Hilfsmaßnahmen für Frauen tatsächlich annimmt, lässt bis dato schwer einschätzen. Allerdings wird sie mit Andauern der notwendigen Hilfen ein erhebliches Ausmaß erreichen und die grundsätzliche finanzielle Benachteiligung von Frauen weiter verschärfen. 

Obwohl die Frage der Geschlechtergerechtigkeit im Grundgesetz verankert ist und der Staat den Auftrag hat, aktiv zu Beseitigung von Ungleichbehandlung beizutragen, wird dieses Ziel in der Entwicklung von wirtschaftlichen Nothilfen nie mitgedacht.

Angezeigt wäre eine kurzfristige, mittelfristige und langfristige Analyse der Auswirkungen auf die Geschlechter vor der Entscheidung über Hilfsmaßnahmen. Bei Andauern der durch die Pandemie ausgelösten Krise kann Schnelligkeit nicht mehr als Argument verwendet werden, Gender Budgeting zu unterlassen. Dies würde ermöglichen, diese Krise auch als Chance zu begreifen, Geschlechtergerechtigkeit zu forcieren, Hand in Hand mit einer innovativen Umweltpolitik.

Unbezahlte Arbeit in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

Das Volumen der unbezahlten Arbeit ist größer als das Volumen der bezahlten Arbeit in Deutschland und Frauen leisten sie überproportional. Wenn wir die unbezahlte Arbeit als Baustein unseres gesellschaftlichen Wohlstandes betrachten, sollte sie auch in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dargestellt werden, dass würde dann wie folgt aussehen:

„if women counted“: die unbezahlte und die bezahlte Ökonomie / Beispiel Deutschland 

In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) kann auch das Arbeitsvolumen in den Wirtschaftsfaktoren abgebildet werden. Gemeinhin wird dies geschlechtsunspezifisch ausgewiesen. Damit wird verschleiert wer innerhalb einer Gesellschaft wie viel arbeitet. Wird die unbezahlte Arbeit wie hier parallel dargestellt wird deutlich, die unbezahlte Care-Ökonomie ist vom Arbeitsvolumen her nur ein wenig kleiner als die gesamte bezahlte Ökonomie (inkl. des öffentlichen Sektors). In der unbezahlten Ökonomie verausgaben auch Männer einen signifikanten Anteil ihrer gesamten Arbeitsstunden – dennoch ist die unbezahlte Ökonomie weiterhin ein von Frauen dominierter Sektor der Gesamtökonomie. „if women counted“: die unbezahlte Ökonomie sichtbar machen –  Frauenarbeit sichtbar machen – die gesamte Ökonomie abbilden

Zeitbudgetstudien werden in Deutschland alle zehn Jahre erstellt. Ihr Ziel ist es, eine repräsentative Abbildung davon zu geben, wie die in Deutschland lebenden Menschen ihre Zeit verwenden. Haushaltstätigkeiten, Kinderbetreuung, und andere unbezahlte Care-Arbeiten werden hier ebenso abgefragt, wie Freiwilligenarbeit, Gartenarbeit, Körperpflege, Lohnarbeit, u.v.m. Auf Basis dieser Zeitbudgetanalysen lässt sich nach Geschlecht aufgeschlüsselt kalkulieren, wie gross auf gesamtwirtschaftlichem Niveau das Arbeitsvolumen verschiedener Tätigkeiten ist – z.B. wie in diesem Faktenblatt von der unbezahlten Care- und Hausarbeit (hier „lediglich“ Kinderbetreuung, Altenpflege und Hausarbeit). 

Demgegenüber stellen wir auf Basis der Daten aus dem Mikrozensus die Arbeitsvolumen nach Geschlecht aufgeschlüsselt dar bezogen auf ausgewählte Wirtschaftszweige der bezahlten Ökonomie (inklusive des öffentlichen Sektors). 

So entsteht ein nach Geschlecht differenziertes Bild von den Arbeitsvolumina in der gesamten Ökonomie – der bezahlten wie auch der unbezahlten.

 

Aus diesen Daten ergeben sich unter anderem folgende Resultate: 

  1. Die unbezahlte Care-Ökonomie ist vom Arbeitsvolumen her ein riesiger Sektor der Gesamtökonomie! Die unbezahlte Hausarbeit ist vom Arbeitsvolumen her der mit Abstand größte Sektor der Gesamtökonomie (der einzige 6-stellige Sektor in Millionen!).
  2. Männer investieren ihre Arbeitskraft weiterhin schwerpunktmäßig in die bezahlte Ökonomie. Allerdings investieren sie auch einen signifikanten Anteil ihrer Arbeitskraft in die unbezahlte Ökonomie. Hier verausgaben sie 80% von den Arbeitsstunden die Frauen verausgaben. Geschlechterannäherungen in der unbezahlten Ökonomie sind also statistisch sichtbar, allerdings: Frauen machen in der unbezahlten Ökonomie v.a. in der Hausarbeit mehr, als die Männer. Kinderbetreuung und Pflege weisen nur noch leichte Ungleichheiten in der Geschlechterverteilung auf. 
  3. Die überwiegende Anteil der Care-Arbeit findet in Deutschland weiterhin in der unbezahlten Ökonomie statt. Diese Ökonomie ist vom Arbeitsvolumen her also der relevante Sektor in der Care-Ökonomie. Die „Kommodifzierungs-These“ (im Hinblick auf Care-Arbeit) ist mit einem Blick auf die Arbeitsvolumen für Deutschland nur eingeschränkt haltbar. Der Sektor „kommodifizierte Care-Öknomie“ (Gastgewerbe, persönliche u. haushaltsnahe Dienstleistungen) ist insgesamt vom Arbeitsvolumen her vergleichsweise unbedeutend, der Sektor der „öffentlichen Care-Ökonomie“ (öffentliche Erziehung, Gesundheit, Soziales) macht vom Arbeitsvolumen her rund die Hälfte des Arbeitsvolumens der unbezahlten Care-Ökonomie aus.
  4. Weiterhin Arbeiten mehr Männer in der bezahlten Ökonomie und mehr Frauen in der unbezahlten Ökonomie. In der Grafik zum Arbeitsvolumen, die Sie hier vorliegen haben, scheint es so, als würden im Gesamten (bezahlt und unbezahlt) Frauen etwas weniger arbeiten als Männer ( 183894,5 vs. 223026,9 Millionen Stunden); Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Daten zur bezahlten Arbeit vom Mikrozensus kleinere und geringfügige Tätigkeiten eher unter den Tisch fallen (siehe Vorgehensweise Arbeitsvolumen), die tendenziell eher von Frauen ausgeführt werden. Das Volumen von der Arbeit (bezahlt und unbezahlt) von Frauen und Männer ist im Gesamten nahezu gleich, folgt man den Anhaben der Zeitbudgetstudien (diese Studien kommen zu dem  Schluss, dass Frauen im Schnitt eine Stunde mehr die Woche bezahlt und unbezahlt arbeiten als Männer).
  5. Wenn das produzierende Gewerbe inklusive der wirtschaftsnahen Dienstleistungen mit dem Dienstleistungssektor verglichen wird, fällt auf, dass der industrielle Sektor in Deutschland immer noch vergleichsweise bedeutsam ist – trotz der sog. „Dienstleistungsgesellschaft“ – und daneben  der Sektor der unbezahlten Arbeit weiterhin sehr groß ist. 

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Quellen und Bemerkungen zu den Berechnungen

Grundsätzliche statistische Bemerkungen:

Es ist nicht einfach, eine solche Darstellung, wie wir sie gemacht haben, in Deutschland zu erstellen, v.a. weil geschlechtsspezifisch differenzierte Daten in den statistischen Erhebungen Mangelware sind – und der Dienstleistungssektor ein statistisch nur sehr grob erfasster Sektor ist. Die Zusammenführung der Daten des Arbeitsvolumen von Männer und Frauen in der bezahlten und unbezahlten Arbeit nach Sektoren und Wirtschaftszweigen gestaltet sich auf Grund der zur Verfügung stehenden Daten als Herausforderung. Deshalb seien hier noch etwas ausführlichere Bemerkungen zu unserer Vorgehensweise gemacht. 

Erstes statistisches Problem ist die Erstellung eines Datensatzes aus mehreren unterschiedlichen statistischen Quellen. Das Volumen der unbezahlten Arbeit wird in der Bundesrepublik Deutschland alle zehn Jahre erhoben, zuletzt im Jahre 2012/2013. Die Daten wurden im Jahre 2015 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt standen für das Volumen der bezahlten Arbeit aufgeschlüsselt nach Wirtschaftszweigen nicht mehr alle Daten zur Verfügung. Deshalb beziehen sich einige Teile dieses Tabellenabschnitts auf das Jahr 2015. Auch das Volumen der bezahlten Arbeit insgesamt wird in der Detailfreude wie sie für unsere Analysen notwendig ist nicht in einer Statistik veröffentlicht. Deshalb haben wir notwendiger weise unterschiedliche statistische Quellen zusammengeführt.

Zu wünschen wäre eine solche veröffentlichte Darstellung auf der Grundlage von Arbeitsmarktdaten durch die Agentur für Arbeit in Kooperation mit dem Bundesamt für Statistik. Die Daten liegen vor, werden aber nicht veröffentlicht.

Vorgehen:

Das Volumen der unbezahlten Arbeit ist der Zeitbudgetanalyse 2012/2013 des Statistischen Bundesamtes entnommen. Die Zeitbudgeterhebung weist Arbeitsstunden in einer Woche in Tausend für Männer und Frauen ab dem Alter von 10 Jahren aus. Diese haben wir auf ein Jahr hochgerechnet.

Die Statistische Aufarbeitung des Bundesamtes weist einzelne und summierte Tätigkeiten getrennt nach Männer und Frauen ab dem Alter von 10 Jahren pro Tag als Mittelwert über eine Woche aus. Wir haben für unseren Zusammenhang die Bereiche Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Pflege und  unbezahlte Arbeit nach Frauen und Männern getrennt ab 10 Jahren, pro Tag, aufgeschlüsselt in Hauthalsführung gesamt, Kinderbetreuung und Pflege im Haushalt. Diese Zeiten wurden auf Dezimalsystem umgerechnet und aufs Jahr (52 Wochen) hochgerechnet. Zur Erfassung des Arbeitsvolumens wurde der Anteil an der Bevölkerung über 10 Jahren getrennt nach Geschlecht multipliziert.

Das Volumen der bezahlten Arbeit wurde dem Mikrozensus als amtliche Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland, entnommen. Die Arbeitskräftestichprobe der Europäischen Union (EU-Arbeitskräftestichprobe) ist in den Mikrozensus integriert. Die Daten aller Menschen, die einer Arbeit nachgehen sind erfasst, deshalb sind Minijober*innen, mithelfende Familienangehörige, Selbstständige und sozialversicherte Beschäftigte inkludiert. Auch diese Erhebung weist die Wochenarbeitsstunden aus, die wir aufs Jahr hochgerechnet haben. Grundlage sind hierbei 52 Wochen.

Die Erhebungen des Mikrozensus sind nicht sehr genau (weiteres hierzu siehe: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/Methoden/Mikrozensus.htm, 13.05.201) und weisen Abweichungen zu anderen, vergleichbaren Erhebungen auf. Für unsere Zwecke sind sie jedoch genau genug und es handelt sich in Deutschland um die einzige Statistik, in der Arbeitsvolumina nach Männern und Frauen getrennt ausgewiesen werden.

Um die Darstellung des Volumens der bezahlten Arbeiten möglichst detailliert im Bereich der Dienstleistung und der öffentlichen bezahlten Arbeit darstellen zu können, wurden in Einzelfällen Summen aus Statistiken der Agentur für Arbeit hinzugezogen, die aus dem Jahr 2015 stammen. Zahlen aus dem Jahre 2012 waren in dieser Detailtreue nicht zugänglich.

Die Gesamtdarstellung kann unter statistischen Gesichtspunkten im besten Fall Größenordnungen darstellen. Die im Zuge der Anstrengungen, die bei Ihrer Erstellung unternommen werden mussten, bitte wir zu würdigen.

In Deutschland ist dies der erste Versuch einer solchen Darstellung.

Im Vergleich zur Darstellung der Schweizer Arbeitsvolumina ist trotzdem festzustellen, dass dieselbe Aufschlüsselung nicht möglich ist. Unter anderem lassen sich die öffentliche und private Dienstleistungen in Bildung/ Gesundheit/ Soziales anhand der Datenlage in Deutschland nicht gesondert aufführen._______________________________________________________

Januar 2018 Dr. Christine Rudolf und Dr. Silke Chorus 

Frauen und Steuern

Frauen zahlen gemessen an ihrem Einkommen mehr Steuern als Männer, warum das so ist, habe ich in diesem Text erklärt:

Geschlechtsspezifische Berufswahl, die Lohnunterschiede zwischen sogenannten Frauen- und Männerberufen im Arbeitsmarkt und die Verteilung der Geschlechter auf Vollzeit- und Teilzeitstellen führen zu einer eklatanten Einkommenslücke zwischen Frauen und Männer. Aber damit nicht genug, für verpartnerte oder verheiratete Frauen mit geringerem Einkommen als dem zweiten Teil einer Steuergemeinschaft werden die Steuertarife zu verstärkten Einkommensfalle für Frauen. Von dem wenigen das sie verdienen wird unterjährig auch noch mehr an Steuern einbehalten. Verheiratete oder verpartnerte Frauen mit dem geringen Einkommen innerhalb der Paarbeziehung werden auch noch höher besteuert als Menschen mit dem gleichen Einkommen, die alleine Leben. In der Summe verfügen Frauen nur über ein Drittel des Einkommens von

Männern in Deutschland.

Die kürzlich vom DIW (Stefan Bach: Frauen bekommen nur ein Drittel aller Einkommen) veröffentlichte Einkommensteuerstatistik auf Arbeitseinkommen aus dem Jahre 2010 weißt nach, dass Frauen deutlich weniger zu versteuerndes Einkommen erwerben, aber durch Steuern höher belastet werden. Der Teufel liegt im Detail. Arbeitseinkommen, die jährlich unter einem Betrag von 25 000 Euro liegen, werden deutlich häufiger von Frauen erzielt als von Männer. Arbeitseinkommen, die über 40 000 Euro Jahreseinkommen liegen werden hingegen überwiegend von Männern erworben. In den Berechnungen des DIW werden geringfügig Beschäftigte, da nicht steuerpflichtig, nicht erfasst.

Stand 31.12.2015 waren 7,58 Mio Menschen geringfügig beschäftigt, darunter 4,59 Mio Frauen, das sind 60 % aller geringfühgig Beschäftigten (Quelle: Statista). Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 8 I SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt oder die Beschäftigung auf zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt ist.

Neben den Gehaltsunterschieden wie sie im ungereinigten und bereinigtem Gender Pay Gap zum Ausdruck kommen, entscheiden auch die Art und Weise der Besteuerung über das unterjährig zur Verfügung stehende Einkommen von Frauen und Männern. Bemessungsgrundlage ist das zu versteuernde Einkommen. Im Jahr 2014 nahm der deutsche Staat über 213 Milliarden Euro Lohn- und Einkommensteuer ein. Das entspricht knapp einem Drittel der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands (Quelle: Bundesfinanzministerium).

Wer wie viel Steuern entrichten muss legt der Einkommenssteuertarif als Berechnungsvorschrift zur Lohn- und Einkommensteuer fest. Er gibt an, wie viel Steuern auf ein gegebenes zu versteuerndes Einkommen zu zahlen sind. Dies ist u.a. in § 32a EStG für Deutschland festgelegt.

Für das unterjährige zur Verfügung stehende Einkommen ist die Eingruppierung in Tarifzonen wichtig. Diese regeln, wieviele steuerliche Abzüge direkt bei der Lohnabrechnung einbehalten werden. Eine deutsche Besonderheit stellt hierbei das 1958 eingeführte Ehegattensplitting dar. 2013 wurde dieses Verfahren auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Damit können und werden in der Regel Ehepaare bzw. eingetragene Lebenspartner*innen zusammen veranlagt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 32a Abs. 5 EStG. Das gemeinsam erzielte zu versteuernde Einkommen der Partner*innen/Ehegatt*innen wird dabei ermittelt und halbiert (gesplittet). Das halbierte zu versteuernde Einkommen wird nun nach geltendem Einkommenssteuertarif versteuert.

Bei unterschiedlich hohem Einkommen der Partner*innen entsteht ein sogenannter Splittingvorteil. Dieser kann über 10 000 Euro Steuerersparnis im Jahr bewirken (Partner*in A hat 300 000 Euro Jahreseinkommen und Partner*in B kein zu versteuerndes Einkommen). In Deutschland gilt seit dem Jahre 2017 ein Grundfreibetrag, der nicht versteuert wird in Höhe von 8820 Euro pro Person. Der Eingangssteuersatz ist seit 2009 mit 14 % festgesetzt, ab 256 304 Euro Jahreseinkommen ist der Spitzensteuersatz anzuwenden. Der Spitzensteuersatz beläuft sich einschließlich Solidaritätszuschlag auf 47,48 %. Der Verlauf der Besteuerung zwischen diesen beiden Werten ist linearprogressiv und wird in Tarifzonen eingeteilt.

TarifzoneGrenzen*GrenzsteuersatzDurchschnitts-
steuersatz
Zone
1unter 8820 EuroNullzone
28820 Euro bis 12 000 Euro14,9%0,84 %Progessionszone 1
312 000 Euro bis 24 000 Euro21,1%5,3 %Progressionszone 2
424 000 Euro bis 48 000 Euro28,8 %15,6 %Proportionalzone 1
548 000 Euro bis 120 000 Euro39,8 %24,9 %Proportionalzone 2
6120 000 Euro bis 250 000 Euro42 %35,1 %
7ab 250 000 Euro45 %Reichensteuer
Tarifzonen der Besteuerung und ihre Auswirkungen, * Wert sind pro Person dargestellt.

Die Einteilung in Lohnsteuerklassen dient innerhalb der Lohnbuchhaltung zur Errechnung des Steueranteils gemessen am Bruttolohn. Es handelt sich um eine Annäherung an die zu erwartende Steuerschuld aus einem Arbeitseinkommen, Berücksichtigung finden die vordefinierten Freibeträge. Damit definieren die Lohnsteuerklassen neben den Sozialabgaben die monatlichen Abzüge vom Arbeitseinkommen. Sie haben keinen

Einfluss auf die tatsächlich festzusetzende Steuerschuld.

LohnsteuerklasseBerechtigteMerkmaleGesamtzahl
I# Ledige
# Verheirate/
Verpartnerte, bei
denen die zweite
Person beschränkt*
steuerpflichtig ist
# Verheiratete/
Verpartnerte, die
dauerhaft getrennt
leben, verwitwete, geschieden
ohne Kinder
Grundfreibetrag12348,2
IIAlleinerziehende, bei
denen die
Voraussetzung der
Steuerklasse vorliegen
und die Anspruch auf
Entlastungsbeitrag** für
Alleinerziehende haben.
Sowie für Verwitwete mit
mindestens einem Kind
bis zu einem Jahr nach
dem Tod des anderen Steuerpflichtigen
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
Alleinerziehenden
Freibetrag
1686,9
IIIVerheiratete/
Verpartnerte, die
überwiegend
gemeinsam leben und
nicht die Steuerklasse IV gewählt haben
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
10655,0
IVVerheiratete/
Verpartnerte, die beide
unbeschränkt
einkommenssteuerpflich
tig sind und
überwiegend
gemeinsam leben. Diese
Steuerklasse muss
selbstständig gewählt
werden. Sonst wird in
Steuerklasse III und iV eingeteilt
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
4643,0
IV mit FaktorVerheiratete/
Verpartnerte, die nicht
getrennt leben und in
etwa gleich verdienen,
jedoch ein
Splittingverfahren zur Anwendung kommt
Grundfreibetrag
Kinderfreibetrag
VVerheiratete/
Verpartnerte, die nicht
getrennt leben, bei
denen beide sehr
unterschiedliche
Arbeitseinkommen
haben, diese
Steuerklasse erhält, der
oder die, der weniger verdient
Kein Grundfreibetrag
und kein Kinderfreibetrag,
lohnt sich für die
Person, die in Steuerklasse
III ist, da dort alle
Abzugsmöglichkeiten
jeden Monat direkt
berücksichtig werden
3366,8
VIWird bei weiteren
Arbeitsverhältnissen abgewendet
Kein Grundfreibetrag
und kein
Kinderfreibetrag

* Beschränkt steuerpflichtig ist, wer in Deutschland Einkünfte erzielt, aber weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (§ 49 EStG). Doppelbesteuerungsabkommen sind zu beachten.

** Alleinerziehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag von 1.908 Euro im Kalenderjahr von der Summe ihrer Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Für jedes weitere Kind gibt es zusätzliche 240 Euro.

Quelle: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.41633.de/diw_rn04-04-38.pdf, da es 2003 noch kein Faktorverfahren gab, liegen hierfür keine Zahlen vor.

Die vom Gesetzgeber angebotene Steuerklassenkombination III und V soll den Eheleuten bzw. Partner*innen schon während des Arbeitsjahres zu einem höheren verfügbaren Einkommen verhelfen. Sieht man beide Partner*innen zusammen, so zahlen sie bei dieser Kombination tatsächlich weniger Steuern, gemeinsam profitieren sie vom Splittingvorteil.

Unterjährig profitiert aber nur die Partner*in, die über das höhere Einkommen verfügt, sie erhält den Splittingvorteil über den verringerten Vorsteuerabzug sofort. Die Partner*in, die über das niedrige Einkommen verfügt erhält keine Anrechnung des Grundfreibetrags und keine Anrechnung des Kinderfreibetrags. Diese Person muss unverhältnismäßig viel Steuern direkt abführen und zwar ohne dass sie gefragt wird. Wer keine Lohnsteuerklasse eintragen läßt, verheiratet oder verpartnert ist und über das niedrigere zu versteuernde Einkommen verfügt, wird automatisch vom Finanzamt in die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Seit dem Jahre 2010 gibt es das Faktorverfahren, bei dem das Paar beim Finanzamt sein zu erwartendes Arbeitseinkommen zu Beginn des Jahres angeben muss und damit die Möglichkeit erhält die Steuerlast von Anfang an entsprechend ihres Aufkommens zu verteilen, gedacht ist dieses Verfahren vor allem für Paare die ein in etwa gleich hohes Arbeitseinkommen erwirtschaften.

Je nach Wahl der Steuerklassen bzw. dem Faktorverfahren ergeben sich unterschiedliche unterjährige Verteilungen der Steuerlast auf die Partner*innen. IV mit Faktor Verheiratete/ Verpartnerte, die nicht getrennt leben und in etwa gleich verdienen, jedoch ein Splittingverfahren zur Anwendung kommt. Grundfreibetrag Kinderfreibetrag V Verheiratete/ Verpartnerte, die nicht getrennt leben, bei denen beide sehr unterschiedliche Arbeitseinkommen haben, diese Steuerklasse erhält, der oder die, der weniger verdient, bekommt keinen ein Grundfreibetrag und kein Kinderfreibetrag. Für Sie lohnt sich in Steuerklasse III , da dort alle Abzugsmöglichkeiten jeden Monat direkt berücksichtig werden

Verdient eine Partner*in 20.000 € und die andere 40.000 €, beträgt die vom Lohn abgezogene Steuer ohne Anwendung des Faktorverfahrens 1.747 € + 6.930 € = 8.677 €, wovon 303 € später aufgrund der Einkommensteuererklärung erstattet werden. Bei Anwendung des Faktorverfahrens entrichten die Ehegatten/Lebenspartner während des Jahres Steuern in gleicher Höhe.

Verdienen beide 30 000 €, so zahlen sie bei Anwendung der Steuerklasse III und V 1.594 € + 7.394 € = 8.988 € Lohnsteuer. 614 € werden später aufgrund der Einkommenssteuererklärung erstattet, mit dem Faktorverfahren bezahlen beide gleich viel Steuern.

Die gewollte Steuerung der staatlichen Einnahmenpolitik beinhaltet, dass diejenigen Partnerin in einer gebundenen Lebensgemeinschaft, die über das geringere Erwerbseinkommen verfügt, davon unterjährig die verhältnismäßig höhere Steuerlast trägt.

Soweit die Fakten an die sich viele Fragen anschließen. Wie wird die Steuerlast nach der erfolgten tatsächlichen Besteuerung innerhalb der Paare verteilt, bekommt diejenige, die zuvor die verhältnismäßig größere Last getragen hat in einer Binnenverrechnung Steuernzurück erstattet? Warum „bestraft“ der Fiskus über die Steuerlast von den Menschen innerhalb einer Steuergemeinschaft diejenigen, die weniger verdienen? Welche Rolle spielt dieses unterjährig höhere Steuerlast bei der Entscheidung steuerpflichtig arbeiten zu gehen, das Arbeitsvolumen auszudehnen oder eine Gehaltserhöhung zu erstreiten? Ist es Zufall, dass gerade in Deutschland im OECD Ländervergleich von den in Partnerschaft lebende Frauen so wenige arbeiten im Vergleich zu anderen Industrieländern?